Unternehmenspersönlichkeitsrecht im digitalen Zeitalter
Ein einziger Klick, ein kurzer Kommentar, eine anonyme Bewertung und schon gerät die digitale Visitenkarte eines Unternehmens oder einer Einzelperson ins Wanken. Der gute Ruf, einst das Ergebnis jahrelanger Vertrauensbildung, wird heute in Sekundenbruchteilen in der digitalen Öffentlichkeit verhandelt. Ob Google-Bewertungen, Forenbeiträge oder Social Media: Was über uns geschrieben wird, ist dauerhaft auffindbar und nur schwer zu kontrollieren. Dabei entscheidet der digitale Ruf längst über wirtschaftlichen Erfolg, Kundenzahlen und Karrierechancen.
BGH stärkt Meinungsfreiheit im Netz
Besonders deutlich zeigt dies ein aktueller Beschluss des Bundesgerichtshofs: Mit Entscheidung vom 11. März 2025 stellte der BGH klar, dass Plattformbetreiber grundsätzlich nicht verpflichtet sind, die Identität anonym bleibender Bewertender offenzulegen, solange es sich um zulässige Meinungsäußerungen handelt. Nur bei strafbaren Inhalten bestehe ein Auskunftsanspruch (BGH, Beschl. v. 11.03.2025 – VI ZB 79/23). Die Entscheidung zeigt, dass die Meinungsfreiheit und Anonymität im Netz für den BGH von zentraler Bedeutung sind und im Zweifel den Schutz des Unternehmensrufs überwiegen.
Einschätzungen von Dr. Lodigkeit
Rechtsanwalt Dr. Lodigkeit zeigt im ersten Teil seiner Beitragsreihe „Reputationsrecht im Kontext der Digitalisierung“, dass sich hier ein eigenständiges Rechtsgebiet formt. Was früher im klassischen Presserecht verankert war, entwickelt sich heute zu einem Feld an der Schnittstelle von Persönlichkeitsrecht, Meinungsfreiheit und Datenschutzrecht. Reputation ist dabei weit mehr als ein Image: Sie wird durch dauerhafte Bewertungen und Kommentare geprägt, die jederzeit abrufbar sind. Dabei sind diese oft emotional, anonym und nicht selten böswillig.
Zwischen Kritik und Ehrschutz
Seit Jahrzehnten bemühen sich die Gerichte, zwischen zulässiger Kritik und unzulässiger Ehrverletzung zu unterscheiden. Maßgeblich war das Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 15.01.1958 – BVerfGE 7, 198), das die Bedeutung der Meinungsfreiheit bis heute prägt. Auch der Bundesgerichtshof setzte Akzente, etwa mit der „spickmich.de“-Entscheidung (BGH, Urt. v. 23.06.2009 – VI ZR 196/08), die den Vorrang anonymer Meinungsäußerungen bestätigte. Diese Linie prägt auch die aktuelle Entscheidung von 2025.
Konsequenzen für die Praxis
Das zentrale Problem des modernen Reputationsrechts bleibt der Umgang mit anonymen Bewertungen. Zwar schützt § 19 Abs. 2 TTDSG das Recht auf anonyme Internetnutzung, doch dieser Schutz erschwert Betroffenen die Rechtsverfolgung erheblich. Eine Klarnamenspflicht ist kaum durchsetzbar, gleichzeitig wächst der Druck, Plattformen stärker in die Verantwortung zu nehmen. Für Unternehmen, Freiberufler und andere Marktteilnehmer bedeutet dies: Ein Rückzug aus dem Netz ist keine Option. Entscheidend ist ein kluger und proaktiver Umgang mit der digitalen Öffentlichkeit.