Das Reputationsrecht II

Digitale Bewertungen im Spannungsfeld von Meinungsfreiheit und Unternehmensschutz

Das Internet hat das Reputationsrecht grundlegend verändert. Was früher primär Medienhäuser und Prominente betraf, betrifft heute jedes lokal tätige Unternehmen, jede Praxis und jedes Café: öffentliche Bewertungen durch (vermeintliche) Kundinnen und Kunden. Schon ein einzelner Kommentar kann Vertrauen erschüttern. Entscheidend ist daher die Frage: Wann ist Kritik zulässig und wo beginnt der rechtlich angreifbare Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht?

Teil 2 der Beitragsreihe im Überblick: Was Unternehmen wissen sollten

Im zweiten Teil seiner Reihe zum Reputationsrecht thematisiert Rechtsanwalt Dr. Lodigkeit die rechtliche Substanz eines Problems, das viele Unternehmen zu spät erkennen. Bewertungen sind keineswegs grenzenlos erlaubt. Sie unterliegen klaren Prüfmaßstäben, die Unternehmer kennen sollten, um wirksam und rechtssicher reagieren zu können.

Die zentrale Ausgangsfrage: Meinung oder Tatsache?

Internetbewertungen sind oft emotional und pointiert. Rechtlich maßgeblich ist die Einordnung: Meinungsäußerungen wie „enttäuschend“ genießen regelmäßig den Schutz der Meinungsfreiheit. Tatsachenbehauptungen, etwa „defekte Ware wissentlich verkauft“, sind dem Beweis zugänglich und damit überprüfbar. Unwahre Tatsachen sind unzulässig. Selbst wahre Aussagen können unrechtmäßig sein, wenn sie etwa die Intimsphäre verletzen oder eine gezielte Prangerwirkung entfalten.

Grenzen der Kritik und Abwehransprüche nach dem BGB

Unternehmen müssen nicht jede Kritik hinnehmen. Bei nachweislich falschen Tatsachenbehauptungen bestehen Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung, etwa aus § 823 Abs. 1 i.V.m. § 1004 BGB. Nicht alles, was negativ klingt, ist angreifbar – vieles aber doch. Besonders problematisch sind Bewertungen ohne echten Kundenkontakt oder ohne nachvollziehbare Begründung; sie sind regelmäßig rechtswidrig.

Plattformen in der Verantwortung: Kenntnisprinzip & Richtlinien

Viele Betroffene wenden sich an Plattformen wie Google oder Amazon. Nach der Rechtsprechung des BGH treffen Portale Pflichten erst, wenn sie von einer konkreten Rechtsverletzung Kenntnis erlangen. In diesem Fall müssen sie zügig prüfen und reagieren. Zugleich setzen AGB klare Regeln. Die Bewertungen sollen sachlich und wahrheitsgemäß sein. Die Bewertenden sollen ihre eigenen Erfahrungen schildern. Google untersagt u.a. persönliche Angriffe, irreführende Inhalte oder politisch motivierte Kommentare. Verstöße können unmittelbare Löschungsansprüche aus der vertraglichen Grundlage begründen.

Vertragliche Pflichten, Ton und die Grenze zur Schmähkritik

Auch die vertragliche Bindung zwischen dem Bewertenden und dem Unternehmen kann eine gravierende Bedeutung haben, etwa bei Verstößen gegen Nebenpflichten. Entscheidend ist zudem der Tonfall. Eine Bewertung darf hart, aber sachlich sein. Überschreitet sie die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik, ist sie zu entfernen. Anhand typischer Fallkonstellationen zeigen Gerichte, wo diese Grenze verläuft und wie Unternehmen ihre Reputation wirksam verteidigen können.

Dieser Beitrag ist erschienen in: Lodigkeit, AnwZert ITR 12024 Anm. 2.